Archive for the ‘Anwalt’ Category

Mobbing, Burnout, Depression und die Suche nach der geeigneten Therapie

Dienstag, Januar 17th, 2012

Eine Besprechung der DVD – Personenbezogene Depressionstherapie, Autor: Professor Dr. Daniel Hell
Audi Torium Netzwerk, Original-Vorträge.

Depression ist eine Krankheit und ebenso wie Burnout in der Öffentlichkeit ein Thema, welches nicht mehr länger tabuisiert wird, nachdem sich Prominente aus Sport, Politik und Wirtschaft bekannt haben, darunter zu leiden. Die Folgen und Symptome dieser affektiven Störungen sind in der Regel offensichtlich, doch die Fragen nach dem Warum und der Entstehung von Depressionen und eines Burnouts zu klären und Betroffenen Lösungsmöglichkeiten aus dieser schweren persönlichen Krise aufzuzeigen, sind oftmals schwierig. Jeder vierten Frau und jedem siebten Mann droht die Gefahr, mindestens einmal im Leben depressiv zu erkranken.

Als Anwalt ist man hier nur Begleiter der medizinischen oder psychotherapeutischen Behandlung. Umso wichtiger ist es, sich mit den unterschiedlichen Therapieansätzen vertraut zu machen, um nachzuvollziehen, was die behandelnden Ärzte und Psychiater dem eigenen Mandanten während der rechtlichen Betreuung durch den Anwalt angedeihen lassen.
Depressionsforscher Professor Dr. Daniel Hell, emeritierter Professor für Klinische Psychiatrie, langjähriger ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und jetziger Leiter des Kompetenzzentrums „Depression und Angst“ an der Privatklinik Hohenegg in Meilen (Schweiz), hat im Rahmen der Lindauer Psychotherapiewochen 2010 in einem fünftägigen Seminar intensiv und anschaulich die Grundlagen der „Personenbezogenen Depressionstherapie“ vermittelt. Sie zeichnet die achtsame Begegnung mit der Hilfe der suchenden Person – mit ihrer individuellen Biographie, ihrer Persönlichkeit, ihren indiviuellen Belastungen/ Ressourcen und Erlebensweise aus. Daniel Hells integrativer Ansatz führt dazu, die blockierenden körperlichen und sozialen Veränderungen in einer Depression ernst zu nehmen und zu erkennen. Dadurch öffnet sich auch der Zugang zu der eigentlichen, der verborgenen Ursache der Depression.
Sehr anschaulich schildert Hell in einem Umfang von rund 40 Minuten beispielhaft seine psychotherapeutische Behandlung einer 55 Jahre alten Patientin, die infolge des plötzlichen Todes ihres Mannes an einer Depression erkrankte. Hell arbeitet beispielhaft heraus, welche besonderen Ressourcen dieser Frau, einer beruflich stark eingebundenen Intensivmedizinerin, zur Verfügung standen. Er verdeutlicht inwieweit ihr weit überdurchschnittlicher Intellekt durch die Fähigkeit zur Introspektion die Therapie begünstigte. Er zeigt gleichfalls, dass ihr besonderes Leistungsstreben die Therapie andererseits auch belastete.

Auch wenn das Einleitungsbeispiel Hell´s keine Depression betrifft, die auf einen Arbeitsplatzkonflikt zurückgeht, kommen doch die vorgenannten biographischen Details in der Persönlichkeit von Mobbingopfern sehr häufig vor. Auch Mobbingopfer sind ganz überwiegend aufgrund einer außergewöhnlichen Intelligenz überdurchschnittlich gut strukturiert und zu Selbstreflexion fähig. Ebenso häufig sind Mobbingopfer aber auch leistungsorientiert und setzten sich bei dem Wunsch, eine Verbesserung ihrer Situation zu erreichen zeitlich unter starken Druck. .

Multidisziplinär stellt er auch kulturhistorische, anthropologische und neurowissenschaftliche Ansätze vor. Seine Original-Vorträge und Fallbeispiele auf dieser Doppel-DVD belaufen sich auf eine Gesamtspielzeit von 443 Minuten. Sie richten sich vor allem an Psychotherapeuten oder jene, die diesen Beruf ergreifen möchten.
Die DVD gliedert sich wie folgt in die nachstehenden sechs Abschnitte:

1.Einführung – von Normen und Personen
2. Ein pragmatisches Depressionskonzept für eine Personbezogene Therapie
3. Der Einfluss von Schweregrad und Verlauf auf die Therapie
4. Zur Psychodynamik des depressiven Stillstandes –
vom Ringen mit frustrierten Grundbedürfnissen
5. Differenzierende Psychotherapie depressiven Leidens
6. Keine Therapie ohne Stolpersteine – zur Interaktionsdynamik mit depressiven Menschen
Dass die Depression viele Gesichter hat, ist eine der Kernaussagen von Professor Hell. Nicht nur in ihren Erscheinungsformen wie die Anaklitische, Somatisierte oder Organische Depressionen. Die von ihm zum großen Teil ausführlich vorgetragenen Fallbeispiele zeigen ein großes Spektrum an Ursachen für eine Depression.

Nachdem sich Professor Hell in seinen ersten Vortrag vor allem der Einführung von Normen und Personen zuwendet, liegt der Schwerpunkt des zweiten Vortrages auf der Darstellung eines pragmatischen Depressionskonzeptes für eine personenbezogene Therapie. Es folgt die Auseinandersetzung mit dem Einfluss, den sowohl der Schweregrad als auch der Verlauf der Depression auf die Therapie haben. In seinem vierten Vortrag analysiert Professor Dr. Hell die Psychodynamik des depressiven Stillstandes. Zum Abschluss des Seminars geht es dann um die Themen der differenzierenden Psychotherapie, des depressiven Leidens aber eben auch die Stolpersteine, die bei einer Therapie durchaus vorhanden sein können.

Insgesamt ist diese Doppel-DVD sehr informativ. Es erfordert eine hohe Aufmerksamkeit, Professor Dr. Hell bei dessen Ausführungen zu folgen, da es sich, wie eingangs erwähnt, um Original-Mitschnitte handelt, die weitgehend unbearbeitet erscheinen. Im Gegensatz zu den Teilnehmern an dem Seminar indes bieten die beiden DVDs jedoch den großen Vorteil, dass man zwischendurch die Pausentaste drücken oder den Rücklauf verwenden kann um nicht durch die schiere Menge an Informationen überfordert zu werden und den Faden zu verlieren.

Dr. jur. Frank Sievert / Markus Tischler
Rechtsanwalt

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„Geschäftsführer gesucht“ – Entschädigung gezahlt

Mittwoch, November 9th, 2011

Oberlandesgericht Karlsruhe stärkt Rechte von Diskriminierungsopfern und  fordert geschlechtsneutrale Formulierungen bei Stellenausschreibung 

Die Wortwahl ist eindeutig. Gesucht wird ein Geschäftsführer. So stand es in einer in Auftrag gegebenen Stellenausschreibung eines mittelständischen Unternehmens. Wer also sollte daraus schließen, dass sich nebst Männer auch Frauen um diese Position bewerben konnten. Eine als Rechtsanwältin zugelassene Personalleiterin einer Versicherung  bewarb sich dennoch, erhielt eine Absage und klagte anschließend vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe auf Entschädigung. In seinem Urteil vom 13.09.2011, Aktenzeichen 17 U 99/10, gab das Gericht der Klägerin recht, dass auch bei in Auftrag gegebenen, diskriminierenden Stellenanzeigen, ein Schadensersatzanspruch nach dem AGG besteht und setzten eine Entschädigung in Höhe von € 13.257,36 fest. Das Urteil aber ist nicht nur ein persönlicher Erfolg für die Klägerin, es ist auch wegweisend hinsichtlich der Verbesserung des Schutzes der BewerberInnen vor geschlechtsbezogenen Benachteilungen.

Dem hier nun besprochenen Urteil liegt denn auch ein in der Praxis bedeutendes Problem zu Grunde, die Diskriminierung durch Stellenanzeigen wegen fehlender geschlechtlicher Neutralität und die damit einhergehende Diskriminierung nach dem AGG. Ausgelöst wurden die Streitigkeiten vielfach durch die Verwendung von „Funktionsbezeichnungen“, die grammatikalisch eindeutig männlich waren, im bisherigen Sprachverständnis jedoch geschlechtsneutral verstanden wurden. Das Oberlandesgericht hatte somit die möglichen Abweichungen zwischen den in §§ 11, 7, 1, 2 Abs. 2 Satz 1  AGG normierten Anforderungen an Stellenausschreibungen und dem „allgemeinen Sprachverständnis“ zu ermitteln.

Zum Sachverhalt: Eine als Rechtsanwältin zugelassene Personalleiterin einer Versicherung bewarb sich auf eine Stellenanzeige hin als Geschäftsführerin eines mittelständischen Unternehmens, obwohl in der Stellenanzeige lediglich ein „Geschäftsführer“ gesucht wurde. Die Stellenanzeige des beklagten Unternehmens wurde von einer eigens beauftragten Anwaltskanzlei entworfen und zweimal in der örtlichen Presse geschaltet.  Dass neben männlichen auch weibliche Bewerber gesucht werden sollten, war weder aus dem konkreten Anzeigentext noch aus einem Zusatzkürzel (m/w) ersichtlich. Nachdem die Bewerbung der Klägerin nicht zum Tragen gekommen war, meldete die Klägerin umgehend einen Entschädigungsanspruch in Höhe von knapp € 25.000,00 und forderte die für die Schaltung der Anzeige verantwortliche Rechtsanwaltskanzlei auf, ihr deren Auftraggeber zu nennen. Erst nach Auskunftsklage nebst antragsgemäßer  Verurteilung durch das Landgericht Karlsruhe  und nachfolgender Zwangsvollstreckung gab die Anwaltskanzlei den Namen des Unternehmens preis, welches ihr den Auftrag für das Stellenangebot erteilt hatte. Die anschließend gegenüber der Beklagten eingereichte Entschädigungsklage wegen rechtswidriger Diskriminierung gemäß §§ 15 Abs. 2, 11,  7, 1, 2 Abs. 1 S. 1, 22  AGG wurde vom Landgericht Karlsruhe abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hin sprach das OLG Karlsruhe der Klägerin insgesamt eine Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes von € 13.257,36 zu und begründete seine Entscheidung damit, dass die Stellenausschreibung gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 7 AGG) verstoße. Die nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibung führe gemäß § 22 AGG dazu, dass eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermutet werde und deshalb das ausschreibende Unternehmen nachweisen müsse, dass die Klägerin nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sei, dass also das Geschlecht der Klägerin bei der Auswahl überhaupt keine Rolle gespielt habe. Die Beklagte habe die maßgeblichen Erwägungen für ihre Auswahl nicht dargelegt. Die Tatsache, dass eine andere Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, vermöge die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung im Bewerbungsverfahren nicht zu widerlegen. Auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin sei nicht wegen ihres Geschlechts, sondern wegen der mangelnden Akquisitionserfahrung nicht eingeladen worden, könne die Vermutung nicht widerlegen. Damit sei  nicht belegt, dass das Geschlecht neben der möglicherweise fehlenden Akquisitionserfahrung der Klägerin bei der Entscheidung keine Rolle gespielt habe.

Das vorgenannte Urteil ist bemerkenswert. Einerseits weil es den potentiell nach AGG geschädigten Bewerbern einen Auskunftsanspruch einräumt, der vom Gericht höher bewertet wurde als das Mandatsgeheimnis der die Stellenanzeige entwerfenden Rechtsanwaltskanzlei, andererseits weil es eine abschließende Sprachregelung für Stellenanzeigen getroffen hat. Schließlich hat das erkennende Gericht in einem unscheinbaren Halbsatz das bisher gängigste Argument gegen einen Entschädigungsanspruch, die „vermeintlich fehlende Qualifikation“ im Verhältnis zur geschlechtlichen Diskriminierung vollkommen neu gewichtet.

 a. Auskunftsersuchen

Mittels des ausgeurteilten Auskunftsbegehrens ist es Anwaltskanzleien (wie auch Werbeagenturen etc.) eine der letzten Möglichkeiten genommen worden, Stellenausschreibungen in einem männlichen Duktus zu verfassen und dennoch die anfallenden Schadensersatzansprüche zu vermeiden. Das erkennende Landgericht Karlsruhe hatte  im Vorprozess zugunsten von Diskriminierungsopfern einen Auskunftsanspruch gegen die Anwaltskanzlei bejaht, obwohl dieser unmittelbar zur Verurteilung des Mandanten, hier der Beklagten, führen würde. Der Mandantenschutz wurde geringer gewichtet als der Anspruch nach dem AGG.

b. Sprache

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in der besprochenen Entscheidung erstmals klar und deutlich  die bisher vorherrschende überkommene sprachliche Übung, wonach bei betrieblichen und behördlichen Funktionsbeschreibungen in grammatikalisch rein männlicher Form zugleich auch immer die weibliche Form mit gemeint war, über Bord geworfen. Die heute noch weit verbreitete Ansicht, dass, um nur einige Beispiele zu nennen, Richter, Polizist und Geschäftsführer als Amts- und Funktionsbeschreibungen zwar grammatikalisch männlich seien, indes als Funktionsbeschreibung sowohl männliche als auch weibliche Funktionsträger kennzeichnen, ist damit zumindest im  juristischen Sprachgebrauch nicht mehr haltbar. Daraus folgt unmittelbar, dass künftig jede Stellenbeschreibung in männlicher und weiblicher Form oder zumindest mit dem eindeutigen Zusatz (m/w) versehen sein muss, da rein männliche Begriffe nicht mehr als geschlechtsneutrale Oberbegriffe verstanden werden können. Das Oberlandesgericht Karlsruhe begründete dies für den Begriff des Geschäftsführers unmittelbar aus dem Gesetzestext, indem es ausführte, dass das AGG in  seinem § 6 Abs. 3  ausdrücklich von „Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen“ spreche. Überdies würden  männliche Begriffe selbst wenn sie im allgemeinen Sprachgebrauch oder auch noch in der Gesetzessprache  wie ein Oberbegriff verwendet werden  hierdurch  im Rahmen einer Stellenanzeige nicht zu geschlechtsneutralen Oberbegriffen.

 c. Qualifikation

Schließlich steckt in diesem Teil der Urteilsbegründung eine wesentliche Verbesserung der Opferrechte. Neben den allgemeinen Regelungen über die Beweislast wandte sich das erkennende Gericht im besprochenen Urteil unmittelbar gegen den „Qualifikationstrick“ und die damit verbundene Beweislastverschiebung. Das Gericht verzichtete auf den in der Praxis schwer zu erbringenden Beweis für die fachliche Geeignetheit der Klägerin, indem es das Indiz der geschlechtlichen Diskriminierung immer dann als gegeben ansah, wenn das Unternehmen nicht nachgewiesen hatte, dass die ablehnende Entscheidung nicht auch auf geschlechtlichen Überlegungen basierten. Das bedeutet, dass außer in den Fällen offensichtlicher Ungeeignetheit der Einwand der „vermeintlich fehlenden Qualifikation“ zukünftig nahezu unbeachtlich sein wird.

a. Zurechnung

Die Verletzung der Pflicht zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung durch die von der Beklagten beauftragte Kanzlei wurde der Beklagten auch vom OLG zutreffend zugerechnet. Dies mit der ebenfalls zutreffenden Begründung, dass dem Arbeitgeber nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung im Fall der Fremdausschreibung die Sorgfaltspflicht trifft, die Ordnungsgemässheit der Ausschreibung selbst  zu überwachen Fazit 

Eine wegweisende gerichtliche Entscheidung. Zukünftig wird es für die Opfer diskriminierender Stellenausschreibungen wesentlich einfacher, ihre Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Selbst die letzten Lücken im komplexen System der Stellenausschreibungen, die anonymen Stellenanzeigen, bieten den Unternehmen keinen Schutz vor berechtigten Entschädigungsansprüchen mehr. Zugleich ist auch den Versuchen der Unternehmen, die Indizwirkung der Diskriminierung durch immer neue vermeintliche „Stellenprofile“ auszuhebeln, eine deutliche Absage erteilt worden, da es für den Anspruch nach dem AGG genügt, wenn eine geschlechtliche Diskriminierung neben möglichen anderen, – unter Umständen auch  sachlichen -,  Gründen maßgeblich für die Absage war. Wer zukünftig bei Bewerbungen übergangen wurde, sollte genau prüfen, ob nicht bereits unmittelbar  aus einer formal inkorrekten Stellenausschreibung ein Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung hergeleitet werden kann.

Dr. jur. Frank Sievert, Rechtsanwalt

Alsterkamp 26, 20149 Hamburg
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Alarm schlagen ohne Angst vor Kündigung und Mobbing

Freitag, August 5th, 2011

Europäischer Gerichtshof stärkt Whistelblowern den Rücken

Das hier besprochene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Aktenzeichen ECHR 215/ 2011 vom 21.07.2011, mit dem entschieden wurde, dass die fristlose Kündigung einer Arbeitnehmerin wegen der Veröffentlichung von Missständen bei ihrer Arbeitgeberin gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstieß,   stellt bereits formal eine Besonderheit dar. Es handelt sich nämlich nicht um ein Urteil der bundesdeutschen Jurisdiktion, aber dennoch entfaltet der Urteilsspruch unmittelbare Wirkung in der bundesdeutschen Rechtsprechung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte sich in der besprochenen Entscheidung mit der Reichweite von Meinungsäußerungen im Unternehmen auf der einen und der Loyalitätspflicht der Mitarbeiter auf der anderen Seite zu befassen. Hierbei ging es um ein in der Praxis bedeutendes Problem, die strafrechtliche Anzeige eines Mitarbeiters mit der vermeintliche oder tatsächliche Straftaten des Arbeitgebers an die Öffentlichkeit gebracht werden sollen. Häufig werden derartige Mitarbeiter die sogenanntes Whistleblowing betreiben, also Alarm schlagen,  von Kollegen als Denunzianten gemobbt und vom Arbeitgeber gekündigt, etwa wegen des Verrats von Betriebsgeheimnissen. Bis zu dem jetzigen Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte wurde fast durchgängig von deutschen Arbeitsgerichten zu lasten der Meinungsfreiheit entschieden und

die vom Arbeitgeber ausgesprochen Sanktionen des hinweisgebenden Arbeitnehmers hatte auch gerichtlich bestand. Dies  wird sich nunmehr ändern.

 

Im Ergebnis hat dabei der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erstmals klar und deutlich  die Meinungsfreiheit der Mitarbeiter inklusive der Veröffentlichung dieser Meinungen dem Grunde nach höher gewichtet als die Loyalitätspflicht der Mitarbeiter. Zum ersten Mal hat nunmehr der EGMR eine fundierte Grundlage für die Abwägung von Unternehmerinteressen und Loyalitätspflicht geliefert.

 

Zum Sachverhalt: Die Klägerin, Brigitte Heinisch, hat Mut bewiesen, als sie ihren Arbeitgeber,  ein Pflegedienstleistungsunternehmen,  im Jahre 2004 wegen Betruges anzeigte, und diesem vorwarf die Pflegedienstleistungen nicht wie vereinbart erbracht und abgerechnet zu haben.  Womöglich war der Altenpflegerin damals nicht klar, dass ihr dieses nicht nur die fristlose Kündigung einbringen, sondern ihr Fall Jahre später zu einem wegweisenden Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg führen würde. Einem Urteil, welches Arbeitnehmer stärkt, die bislang aus Angst vor Repressalien Missstände in ihrem Unternehmen nicht öffentlich anprangern wollten.

Brigitte Heinisch, eine Altenpflegerin, hat dieses getan. Sie ist allerdings nicht zu irgendeiner Zeitung gegangen oder hat sich einem TV-Sender anvertraut – Brigitte Heinisch hat im Dezember 2004 Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber gestellt, weil sie die Zustände bei ihrer Arbeitgeberin in einem Berliner Altenheim  nicht mehr akzeptieren wollte: Nämlich, dass der Klinikbetreiber ihrer Meinung nach zu wenig Personal für die pflegebedürftigen Bewohner einsetzte, die oft stundenlang auf Hilfe warten mussten. Weil Brigitte Heinisch der Meinung war, die Gegenleistung für die alten Menschen wie auch die Angehörigen entspreche nicht denen von diesen getragenen Kosten, stellte sie Strafanzeige wegen Betrugs gegen die Arbeitgeberin. Das Verfahren gegen ihre Arbeitgeberin wurde mangels hinreichenden Tatverdachtes eingestellt. Sie selbst wurde daraufhin im Jahr 2005 fristlos gekündigt. Ihre Klagen auf Wiedereinstellung wurden sämtlich abgewiesen.  Dass ihre fristlose Kündigung rechtmäßig gewesen sei, zu diesem Schluss kamen  sowohl Arbeitsgericht, als auch das Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht. Eine Verfassungsbeschwerde der Klägerin wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommen.

Das EGMR bewertete die Interessenkollision zwischen Meinungsäußerungsfreiheit der Arbeitnehmerin und ihrer Pflicht zur Loyalität gegenüber der Arbeitgeberin  anders und entschied, dass mit der  fristlosen Kündigung gegen Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, also der „Freiheit der Meinungsäußerung“ verstoßen wurde, zumal es keine Anhaltspunkte dafür gegeben habe, dass die Arbeitnehmerin wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hätte. Das Gericht sprach der Klägerin daher eine Entschädigung von insgesamt € 15.000,00 zu. 

Warum aber hat das EGMR im Fall der so genannten „Whistleblowerin“ Brigitte Heinisch, also einer couragierten Mitarbeitern, welche Missstände publik machte, das Urteil zu Gunsten

der Klägerin gefällt?  Immerhin lässt sich dem Vorwurf, sie habe mit ihrer Strafanzeige eine schädigende Wirkung auf den Ruf und die Geschäftsinteressen ihres Arbeitgebers gehabt, nicht widersprechen. Dieses hat der EGMR auch nicht getan. Dennoch haben die Richter am EGMR in diesem Fall das große Interesse der Öffentlichkeit daran, über Mängel in der Altenpflege Bescheid zu wissen, als wichtiger erachtet als die Interessen des Unternehmens und sich dabei auf Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonventionen (EMRK) berufen.

Zugunsten der Klägerin werteten die Richter in ihrem Urteil, dass es im „deutschen  Recht keine spezielle Vollstreckungsmechanismen gibt, um eine Beschwerde eines Whistleblowers zu untersuchen und um den Arbeitgeber dazu zu bringen, die Missstände zu beheben“. Die Klägerin hatte in den Jahren vor ihrer Kündigung mehrfach die zuständigen staatlichen Aufsichtsbehören auf vermeintliche Unzulänglichkeiten aufmerksam gemacht, ohne dass aus ihrer Sicht eine Verbesserung der Situation eingetreten war. Daher war der „gute Glaube“ der Klägerin wesentlich  zu ihren Gunsten zu werten.

Noch ist das Urteil des EGMR nicht rechtskräftig. Die Bundesregierung hat drei Monate Zeit, Einspruch zu erheben und die Rechtssache an die Große Kammer des EGMR verweisen zu lassen, allerdings stellt die Entscheidung einen wesentlichen Wandel im Umgang mit so genannten Whistleblowern dar.

Fazit 

Die grundgesetzlich geschützte Freiheit der Meinungsäußerung wurde jetzt über Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention für Mitarbeiter erheblich gestärkt. Indes kann dem Urteil nicht die von manchem voreilig herbeigerufene Signalwirkung des „jetzt kann jeder gegenüber dem Unternehmen sagen und tun was er will“ beigemessen werden. Wer sich  mit dem zugrunde liegenden Sachverhalt genauer befasst hat, der kann erkennen, dass die Klägerin nach Auffassung des Gerichts in  gutem Glauben gehandelt hat, indem, sie die vermeintlichen Verstöße der Arbeitgeberin für tatsächlich gegeben und zudem strafrechtlich relevant hielt. Insbesondere deshalb, weil in der Vergangenheit der medizinische Dienst der Krankenkassen mehrfach bei Heimuntersuchungen Rügen ausgesprochen hatte, die nicht unmittelbar zu Verbesserungen geführt hatten, konnte die Klägerin nach Auffassung des erkennenden Gerichts  zumindest annehmen, dass die von ihr behaupteten Verstöße tatsächlich gegeben seien. Damit nahm das erkennende Gericht  zugunsten der Klägerin an, dass deren Interessen hier höher als das Geschäftsinteresse des Unternehmens zu bewerten war.

Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert

Rechtsanwaltskanzlei Dr.jur.Frank Sievert 

05.08.2011

Ausgrenzen, anschwärzen, beleidigen = Mobbing

Donnerstag, Juli 28th, 2011

Ausgrenzen, anschwärzen, beleidigen – etwa jeder neunte Arbeitnehmer wird im Laufe seines Berufslebens mit solchen oder ähnlichen Methoden gemobbt. Das ergab eine repräsentative Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Doch Dank professioneller Hilfe gibt es Wege aus der Mobbingfalle.

Annähernd jedes Mobbingopfer leidet mit der Zeit an Kopf- und Rückenschmerzen, die Mehrzahl außerdem unter massiven Schlafstörungen. Schreitet der Prozess voran, kommt es nicht selten zu Angstattacken, Depressionen und Neurosen. Immer weiter rutschen Betroffene in die Isolation ab. Ein Teufelskreis.

Seit einigen Jahren ist Mobbing nicht nur ein Modewort, sondern als ernsthaftes Problem auch juristisch anerkannt. Als Dr. jur. Frank Sievert 1999 die Entscheidung traf, sich als Rechtsanwalt für Mobbingopfer stark zu machen, stellte sich die Situation ganz anders dar. Erst ab 2001 rückten die rechtlichen Folgen für die Betroffenen langsam in den Vordergrund. Individualrechtlich wurde das Phänomen bis 2005 weiterhin skeptisch betrachtet. Doch „steter Tropfen höhlt den Stein“: Nach und nach sprach die Rechtssprechung immer mehr Mobbingopfern die von ihnen geltend gemachten Ansprüche zu und die Lage verbesserte sich spürbar.

Viele Mobbingopfer glauben zunächst, der Misere im Alleingang entkommen zu können. Der Mobbingreport der BAuA kommt zu einem anderen Ergebnis und besagt, dass die Gegenwehrstrategien in den meisten Fällen nicht von Erfolg gekrönt seien. Umso wichtiger ist die frühzeitige Inanspruchnahme von professioneller Hilfe – nicht zuletzt, weil sich dadurch in den meisten Fällen eine befriedigende und außergerichtliche Lösung erzielen lässt. 

Auf  http://www.mobbing-anwalt-hamburg.de  erhalten Sie einen umfassenden Einblick in die Materie – angefangen bei der rechtlichen Einordnung von Mobbing über juristische Möglichkeiten der Gegenwehr, Ansprüche gegen Mobber und Arbeitgeber, die eventuelle Unterstützung durch den Betriebsrat sowie über Schadens- und Schmerzensgeldansprüche.
Wir hoffen, Ihnen damit erste wertvolle Informationen zu geben.
Ihr
Dr. jur. Frank Sievert
http://www.mobbing-anwalt-hamburg.de

Nach der Krankheit kommt die Kündigung

Montag, April 25th, 2011

Die Angriffe, denen Mobbingopfer ausgesetzt sind, führen in der Mehrzahl der Fälle zu gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen.Angefangen von Schlafstörungen über Kopfschmerzen und Herz-/Kreislaufproblemen bis hin zu Magen- und Darmerkrankungen.Regelmäßige arbeitsrechtliche Folge der gesundheitlichen Beeinträchtigungen wiederum ist die ärztlich diagnostizierte Arbeitsunfähigkeit.Doch auch derjenige, der durch Mobbing nachweislich dauerhaft erkrankt ist, hat nicht nur mit seiner Krankheit und dem Mobbing zu kämpfen, sondern muß auch seine Kündigung fürchten. Dauerhaft erkrankte Arbeitnehmer sind Kandidaten für eine Kündigung.

Aus Sicht des Arbeitgebers durchaus nachvollziehbar, denn fehlt der Arbeitnehmer längere Zeit oder wiederholt im Betrieb des Arbeitgebers, so können erhebliche betriebliche Auswirkungen die Folge sein. Beispielsweise können Liefertermine gefährdet sein oder gravierende Umstrukturierungen im Betrieb durch Arbeitsneuverteilung oder Einstellungen von Vertretungen notwendig werden. Kein Wunder also, dass dann so mancher Arbeitgeber an die Kündigung des gemobbten und arbeitsunfähig erkrankten  Arbeitnehmers denkt.

Doch so einfach, wie einige Arbeitgeber sich aus den vorgenannten Gründen vom gemobbten Arbeitnehmer trennen möchten, läßt sich ein infolge Mobbings Dauererkrankter nun zum Glück nicht kündigen. Vielmehr hat der Gesetzgeber gerade in jüngster Zeit gesetzlich den Schutz erkrankter Arbeitnehmer vor krankheitsbedingter Kündigung erhöht.

In der Vergangenheit reichte es für eine rechtmäßige Kündigung  aus krankheitsbedingten Gründen aus, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung drei Umstände gegeben waren:

  • Es mußte eine negative Zukunftsprognose hinsichtlich der künftigen Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers bestehen, darüber hinaus mußten auchdie betrieblichen Interessen durch den krankheitsbedingten Ausfall des Arbeitnehmers erheblich beeinträchtigt sein undbei einer Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers an dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit denen des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mußten letztere überwiegen, was nicht allein wegen der Beeinträchtigungen von betrieblichen Interessen zu bejahen war.

Im Schwerbehindertenrecht hat der Gesetzgeber für Arbeitgeber nun eine neue und zusätzliche Verpflichtung eingeführt. Dieser neuen Verpflichtung zufolge hat ein Arbeitgeber für jeden Arbeitnehmer, der innerhalb eines Jahres mehr als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt ist, ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement einzuführen. Die Regelung gilt auch und gerade zu Gunsten der arbeitsunfähig erkrankten, aber nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern.

Die inhaltlichen Anforderungen an das betriebliche Eingliederungmanagement, das im Gesetz als Klärung der Möglichkeiten zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit, Vorbeugung erneuter Arbeitsunfähigkeit und der Erhaltung des Arbeitsplatzes umschrieben wird, regelt das Gesetz nicht. Hier wird die Rechtsprechung in Zukunft Klarheit bringen müssen. Jedenfalls ein Mitarbeitergespräch und eine Arbeitsplatz- und Arbeitsablaufanalyse werden zwingend sein.

Gesetzgeberischer Zweck dieses Eingliederungsmanagements ist es, bereits vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung die Beschäftigung des Arbeitnehmers zu sichern. Aber auch und gerade nach Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung wird das betriebliche Eingliederungsmanagement eminente Bedeutung erlangen. Die Kündigung darf nach ständiger Rechtsprechung nur das letzte Mittel sein, dessen sich der Arbeitgeber bedient. Deshalb muß nunmehr immer vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung  das mildere Mittel der Eingliederungsmaßnahme vom Arbeitgeber durchgeführt werden.

Dies darf den Gemobbten Mut machen.

Dr. jur. Frank Sievert, Hamburg

Die verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA)

Samstag, Januar 15th, 2011

Je früher und je besser vorbereitet eingeholt, desto besser.

In den Vorschriften des Zollkodexes ist das Recht jedes Beteiligten auf Auskünfte zu zollrechtlichen Fragen festgeschrieben. Besonders wichtig für Unternehmen sind dabei die Auskünfte über die zolltarifrechtliche Einreihung einer Ware. Die zolltarifliche Einreihung ist letztlich maßgebend für die vom Unternehmer bei seiner Kalkulation zu berücksichtigende Abgabenhöhe, d. h . die Höhe des Zollsatzes, die Höhe  der Einfuhrumsatzsteuer etc.. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die sich aus der Codenummer des Zolltarifs ergebenden Maßnahmen, also die Festsetzung der Einfuhrabgaben, nicht Gegenstand der vZTA sind. Ändert sich also beispielsweise für eine bestimmte Ware der Zollsatz, so kann sich der Inhaber einer entsprechenden vZTA nicht auf den ursprünglichen Zollsatz berufen. Die Abgabenhöhe wird insbesondere immer dann praktisch bedeutsam, wenn neue Produkte vom Unternehmer eingeführt werden sollen.

Rechtlich bindend sind dabei ausschließlich die von den Zolltechnischen Prüf- und Lehranstalten erteilten schriftlichen verbindlichen Zolltarifauskünfte. Sie binden die Zollbehörden aller Mitgliedsstaaten, Art. 4 Abs. 5 ZK . Sie binden  hinsichtlich der zolltarifrechtlichen Einreihung der Ware, Art. 12 Abs. 2 ZK. Auf Verlangen des Berechtigten ist die Ware in der Folgezeit entsprechend einzureihen.

Die Bindungswirkung der vZTA für die zolltariflichen Einreihung einer Ware besteht grundsätzlich sechs Jahre lang, vom Zeitpunkt ihrer Erteilung an gerechnet. Für vor dem Zeitpunkt ihrer Erteilung zurückliegende Ein- oder Ausfuhrvorgänge bindet die vZTA nicht.

Eine vZTA wird nur auf schriftlichen Antrag mittels gültigen Vordruckes erteilt. Bevor eine Zolltarifauskunft beantragt wird, sollte man zunächst prüfen, ob die Ware, deren abgabengünstige Tarifierung man anstrebt, bereits Gegenstand einer verbindlichen Auskunft ist. Die EU-Kommission führt eine Online-Datenbank, in der alle verbindlichen Zolltarifauskünfte erfasst sind, die von den Behörden der EU-Mitgliedstaaten bereits erteilt wurden. Der Antragsteller/die Antragsstellerin  kann sich im Falle fehlender verbindlicher Tarifauskünfte zu seinen Waren bei der eigenen Beantragung der vZTA gegenüber den Zollbehörden vertreten lassen (Artikel 5 ZK), was insbesondere dann Sinn macht, wenn der Unternehmer selbst nicht über die notwendigen zolltarifrechtlichen Kenntnisse oder das notwendige technische Know How zur sachgerechten Tarifierung verfügt. 

Dem Antrag, der sich nur auf die Ware beziehen darf, sind in aller Regel zur Feststellung der stofflichen Beschaffenheit der Ware und/oder ihrer Zusammensetzung Muster- oder Warenproben beizufügen. Wenn dies nach den Umständen, etwa wegen der  Größe oder Verderblichkeit einer Ware nicht möglich ist, so müssen dem Antrag drei Abbildungen oder genaue Beschreibungen beigefügt werden, die die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft ermöglichen. Pro Warenart ist ein separater Antrag einzubringen, der alle für eine Einreihung in die Kombinierte Nomenklatur erforderlichen Angaben  zu enthalten hat. Im Antrag ist, neben Angaben wie Anschrift, Warenbeschreibung etc., auch die gewünschte Nomenklatur anzugeben.

Die Erteilung einer VZTA ist grundsätzlich gebührenfrei. Mitunter veranlasst die zuständige Zolltechnische Prüf- und Lehranstalt eine externe Begutachtung der Ware, um die richtige Einreihung in den „Gemeinsamen Zolltarif“ oder die sonstige Zollnomenklatur vornehmen zu können. Die für diese Begutachtung anfallenden Kosten (z.B. Kosten für Laboruntersuchungen) werden der Antragstellerin/dem Antragsteller in Rechnung gestellt.

Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert

 

 

Mobbing: Einfach mal abschalten !!!

Donnerstag, November 11th, 2010

Voraussetzungen, Inhalt und Gefahren des Zurückbehaltungsrechtes

Regelmäßig kommen in meine hamburger Anwaltspraxis gemobbte Mitarbeiter deren größter Wunsch darin besteht, sofort den Angriffen der mobbenden Kollegen und Vorgesetzten entzogen zu sein und in Ruhe wieder zu sich kommen zu können. Sind diese Mitarbeiter nicht krankgeschrieben und wollen sie auch trotz erkennbar depressiver Verstimmung keinen Arzt aufsuchen um sich krankschreiben zu lassen, so kann Ihnen häufig dennoch geholfen werden.

Das Bürgerliche Gesetzbuch gibt den mobbingbetroffenen Arbeitnehmern nämlich in § 273 BGB grundsätzlich das Recht, ihre Arbeitsleistung bis zur Beseitigung des Mobbings zurückzubehalten, ohne den Anspruch auf ihr Gehalt zu verlieren. Der Arbeitnehmer hat gegenüber seinem zur Fürsorge verpflichteten Arbeitgeber einen Anspruch darauf nicht gemobbt zu werden. Letzterer muss dafür Sorge zu tragen, dass der Arbeitnehmer nicht von Kollegen oder Vorgesetzten gemobbt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber selbst am Mobbing beteiligt ist oder nicht. Vor der Ausübung seines Zurückbehaltungsrechtes hat der betroffene Arbeitnehmer allerdings einiges zu beachten.

Zunächst muss der gemobbte Arbeitnehmer den Arbeitgeber konkret auf die Mobbinghandlungen hinweisen und ihm auch zeitlich Gelegenheit geben, die Missstände zu beseitigen. Ohne konkrete Ausführungen des gemobbten Arbeitnehmers zu den beteiligten Personen, den Orten des Mobbings und den Zeiten an denen dieses stattfand, kann der Arbeitgeber nicht tätig werden und dem Mobbing abhelfen. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber beim Mobbing durch Kollegen zunächst gar nicht direkt verantwortlich. Sein nachweisbares Verschulden, d. h. die Verletzung seiner Fürsorgepflicht, ist nur bei Ausbleiben einer Reaktion trotz Kenntnis von der Mobbingsituation gegeben. Regelmäßig ist deshalb zunächst der Arbeitgeber mittels einer Mobbingbeschwerde nach § 84 BetrVG über die Situation am Arbeitsplatz des Arbeitnehmers in Kenntnis zu setzten, und es ist ihm unter Fristsetzung Gelegenheit zur Beseitigung des Mobbings zu geben.

Weiterhin muss dem Arbeitgeber mit der Fristsetzung angekündigt werden, dass der Arbeitnehmer für den Fall der Nichtabhilfe des Mobbings seine Arbeitsleistung zurückhält.

Die Zurückbehaltung der Arbeitsleistung ist allerdings für den Arbeitnehmer mit hohen Risiken verbunden. Wenn er zu Unrecht annimmt, er könne die Arbeitsleistung wegen Mobbings zurückhalten, kann dies zum Verlust des Vergütungsanspruches, zur Abmahnung oder gar zur verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen unberechtigter Arbeitsverweigerung führen. Bei Bestand der Kündigung droht darüber hinaus noch eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeldbezug. Diesen Gefahren kann man als Arbeitnehmer jedoch entgehen.

Das Bundesarbeitsgericht hat dem gemobbten Arbeitnehmer ein Feststellungsinteresse an einer Klage auf Feststellung, dass ihm ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung zusteht, eingeräumt. Daher sollte im Vorfeld der Zurückbehaltung der eigenen Arbeitskraft immer die Klage auf Feststellung des Bestehens des Zurückbehaltungsrechtes für den Arbeitnehmer stehen. Hiervon sollte nur nach vorheriger Beratung mit einem Anwalt Gebrauch gemacht werden.

Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert

www.kuendigungsschutz-aktuell.de

Augen auf bei Ausschlussfristen !

Mittwoch, September 29th, 2010

Ausschlussfristen vernichten einen bereits bestehenden Anspruch, wenn dieser nicht innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht wird. Sie sind nicht mit der regelmäßig deutlich längeren Verjährung desselben Anspruchs zu verwechseln. Anders als die Verjährungsvorschriften sollen sie schnell Klarheit bei der Abwicklung von Arbeitsverhältnissen schaffen. Ausschlussfristen finden sich in Tarifverträgen, aber auch in Betriebsvereinbarungen und im Arbeitsvertrag des Arbeitsnehmers. In letzteren finden sie häufig Eingang durch Arbeitsvertragsklauseln, die auf die Anwendbarkeit eines einschlägigen Tarifvertrags verweisen, welcher wiederum Ausschlussfristen regelt. Ein Beispiel:

Sie sind Arbeitnehmer und haben ihre Arbeit immer ordnungsgemäß erbracht. Sie haben die letzten Monate kein Gehalt oder nur ein geringeres als das vertraglich vereinbarte Gehalt erhalten. In Kenntnis um die prekäre wirtschaftliche Situation ihres Arbeitgebers haben sie zunächst darauf verzichtet, ihre berechtigten Gehaltsansprüche anzumahnen und/oder diese gerichtlich geltend zu machen. Nun klagen sie sechs Monate später ihr Gehalt vor dem Arbeitsgericht ein, da sie finanziell nicht länger zuwarten konnten. Ein Gütetermin vor dem örtlich zuständigen Arbeitsgericht wird anberaumt. Im Gütetermin eröffnet ihnen der Arbeitsrichter, dass sie ihre Ansprüche verloren hätten, denn ihr Arbeitsvertrag habe, wie ihr Arbeitgeber zutreffend vorgetragen habe, in § 10 eine Klausel nachstehenden Inhalts aufgewiesen: „ Auf den Arbeitsvertrag der Parteien findet der Manteltarifvertrag der xy Industrie/Handel/Handwerk Anwendung. Der Tarifvertrag gilt insoweit, als durch diesen Vertrag keine anderen Bestimmungen getroffen worden sind.“ Im betreffenden Manteltarifvertrag selber finden sie dann beispielsweise folgende Bestimmung: „Alle gegenseitigen Ansprüche sind 3 Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Nach Ablauf dieser Frist verfallen sie.“ Sie stehen mit leeren Händen da, denn Ausschlussfristen laufen auch, wenn sie den Parteien unbekannt sind.

Um dem Leser dieser Zeilen jedoch nicht Steine statt Brot zu geben, werde ich nachstehend die notwendigen Schritte zur Ermittlung, Überprüfung und Wahrung einschlägiger Ausschlussfristen in den Grundzügen aufzeigen. Schließlich wird dargelegt, was man als Arbeitnehmer noch tun kann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen, die Ausschlussfrist mit anderen Worten schon abgelaufen ist. Doch der Reihe nach

Ergibt sich die Ausschlussfrist aus einem Tarifvertrag, was bei der Tarifbindung beider Parteien, der Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages oder einer Inbezugnahme des Tarifvertrages im Arbeitsvertrag der Fall ist, so muss der Arbeitnehmer selbst sich Kenntnis vom Inhalt des Tarifvertrages verschaffen. Hierzu steht ihm zunächst der Aushang des Tarifvertrages im Betrieb zur Verfügung. Der § 8 des Tarifvertragsgesetzes sieht ausdrücklich vor, dass Tarifverträge im Betrieb auszuhängen sind. Wurde der Tarifvertrag entgegen § 8 TVG im Betrieb nicht ausgehängt, kann und muss der Arbeitnehmer sich die Kenntnis vom Inhalt des Tarifvertrages verschaffen entweder über das WSI Tarifhandbuch, der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, oder durch Einsichtnahme des Tarifvertrages in der Bibliothek des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts. Sollte ihm auch dies nicht möglich sein, muss er fachkundigen Rat einholen, denn, wie bereits ausgeführt, laufen Ausschlussfristen nach ständiger Rechtsprechung auch dann, wenn sie dem Arbeitnehmer unbekannt sind. Als nächstes sollte der Arbeitnehmer an Hand der tariflichen Ausschlussfrist überprüfen, ob die von ihm zu beanspruchende Forderung überhaupt von der Ausschlussfrist erfasst wird.

 Grundsätzlich gilt, dass die Ausschlussfrist alle Rechte im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis erfasst. Betroffen sind insbesondere Lohn-, Lohnfortzahlungs- sowie Karenzentschädigungsansprüche. Erfasst werden darüber hinaus auch Ansprüche auf Feiertagslohn und der Zeugnisanspruch.

Von vornherein von der Ausschlussfrist ausgenommen sind nur vom Arbeitgeber vorbehaltlos abgerechnete und damit anerkannte Ansprüche des Arbeitnehmers, sowie Ansprüche auf Entfernung rechtswidriger Abmahnungen aus der Personalakte, da sich deren beeinträchtigende Wirkung fortlaufend aktualisiert. Ist einer der beiden vorbenannten Fälle nicht gegeben, so kann eine arbeitsvertragliche Ausschlussklausel immer noch nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß der §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sein. Die meisten Arbeitsverträge sind nämlich Standardverträge im Sinne des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Problematisch ist die Wirkung von Ausschlussfristen insbesondere in Mobbingfällen. Hintergrund ist folgender: Gesetzliche Rechte werden von Ausschlussklauseln nur erfasst, wenn von diesen Rechten kraft Vereinbahrung zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden darf. Dies späche an sich dafür, dass etwaige Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche der Mobbingopfer gegen ihre Arbeitgeber und mobbenden Kollegen von Ausschlussfristen nicht erfasst werden, denn § 276 Abs. I Satz 2 BGB verbietet den Ausschluss der Haftung für Fahrlässigkeit und Vorsatz.

Die überwiegende Rechtssprechung, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts, hält jedoch Ansprüche von Mobbingopfern auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach Ablauf von Ausschlussfristen für ausgeschlossen. Das Gericht argumentiert dahin, dass die gesetzliche Unabdingbarkeit der Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nicht einer der Rechtsklarheit dienenden zeitlichen Beschränkung der Ansprüche entgegenstehe. Es bleibt abschließend noch zu klären, wie man Ausschlussfristen überhaupt wahrt. Wie der Arbeitnehmer Ausschlussfristen wahrt, hängt von zweierlei ab. Erstens von dem in der Frist angeordeneten Fristbeginn und zweitens von der Art der Ausschlussfrist.

Es ist sehr unterschiedlich geregelt, wann die Ausschlussfristen zu laufen beginnen. Die unterschiedlichen Klauseln knüpfen teilweise an das Entstehen und teilweise an die Fälligkeit des der Ausschlussfrist unterliegenden Anspruchs an. Weiterhin gibt es Ausschlussklauseln, die für den Beginn der Ausschlussfrist an die Ablehnung des Arbeitnehmeranspruchs durch den Arbeitgeber anknüpfen, andere Ausschlussklauseln lassen mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Ausschlussfrist beginnen. Dies alles soll und muss der Arbeitnehmer sorgfältig prüfen. Jedoch selbst wenn geklärt wurde, wann die Frist grundsätzlich zu laufen beginnt, gibt es noch einiges Rechtliches, was für den Fristbeginn beachtet werden muss. So ist für den Fristbeginn durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht die tatsächliche, sondern das rechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses maßgebend. Dieses steht bei Bestandsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erst mit rechtskräftigem Urteil fest. Die Probleme, die mit der wirksamen Geltendmachung des Arbeitnehmeranspruchs verbunden sind, können ebenfalls nur kursorisch dargestellt werden, müssen aber beherrscht werden, damit nicht durch eine unwirksame Geltendmachung des Anspruchs dieser infolge Verfalls erlischt.

Die Art und Weise der rechtswirksamen Geltendmachung hängt dann wiederum in erster Linie davon ab, ob eine sogenannte ein- oder zweistufige Ausschlussfrist vereinbart wurde.

Bei der sogenannten einstufigen Ausschlussfrist reicht es regelmäßig aus, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers von diesem aussergerichtlich geltend gemacht wurde. Im allgemeinen werden dabei für die Geltendmachung bestimmte Formen, wie beispielsweise die Schriftform, gefordert. Unabhängig davon, ob dies der Fall ist, oder nach dem Wortlaut der Bestimmung zur Wahrung der Ausschlussfrist auch die mündliche Geltendmachung ausreicht, sollte die Schriftform schon aus Gründen des Beweises gewahrt sein. Überdies muss rechtsicher zugestellt werden. Es sollte mittels Bote oder per Postzustellung zugestellt werden.

Die Frist wird überdies nur dann gewahrt, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers dem Grunde und der Höhe nach spezifiziert wird. Anderenfalls könnte der Arbeitgeber nicht erkennen, welche Forderung überhaupt gegen ihn erhoben wird. Regelmäßig ist daher zur Geltendmachung eine Zahlungsaufforderung zwingend erforderlich. Auch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage kann ausreichen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Ansprüche des Arbeitnehmers vom Ausgang der Kündigungsrechtsstreitigkeit abhängen, nicht indes, wenn sie, wie Lohndifferenzanspüche bei fehlerhafter Eingruppierung, vom Ausgang der Bestandsstreitigkeit unabhängig sind.

Bei der sogenannten zweistufigen Ausschlussfrist wird regelmäßig über die außergerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs hinaus noch gefordert, dass dieser bei Ablehnung oder Nichterfüllung nach Zahlungsaufforderung durch den Arbeitnehmer von diesem noch in einem weiteren Schritt innerhalb bestimmter in Ausschlussklauseln geregelter Fristen gerichtlich verfolgt werden muss.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass für die Wahrung von Ausschlussfristen ein Rechtsgrundsatz der alten Römer Pate steht. Es gilt: Ius es vigilantibus = Das Rechts ist mit den Wachsamen.

Dr. jur. Frank Sievert

Vom arbeitgeber gemobbt; von der rechtsschutzversicherung im stich gelassen

Montag, August 2nd, 2010

Mobbing: Ein Mann – ein Wort – kein Geld

Montag, Juli 26th, 2010

Von einer Eigenkündigung kann selbst bei Mobbing nur abgeraten werden

1. Der Fall

Der Kläger hatte im August 2003 fristlos gekündigt, weil sein Arbeitgeber mit Gehaltszahlungen im Verzug war. Einige Monate später verlangte er jedoch die Zahlung der ausstehenden Gehälter, weil die Beklagte, welche den Betrieb im September 2003 übernommen hatte, zum einen zur Rechtsnachfolgerin seines Arbeitgebers geworden sei. Zum anderen sei seine Kündigung unwirksam gewesen, unter anderem weil kein „wichtiger Grund“ vorgelegen habe.

2. Entscheidung des BAG

Der zweite Senat des BAG wies die Klage zurück und erklärte die Eigenkündigung des Arbeitnehmers für wirksam.

3. Begründung des BAG

Zur Begründung führt das BAG an, dass es für eine fristlose Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB eines wichtigen Grundes bedarf, ohne diesen ist die Kündigung unwirksam. Ein solcher wichtiger Grund kann nach der Rechtsprechung dann bestehen, wenn der Arbeitgeber mit Gehaltszahlungen im Rückstand ist und der Arbeitnehmer den Arbeitgeber deswegen zuvor abgemahnt hat. Wer kein Gehalt bekommt und dieses ausstehende Gehalt unter Androhung arbeitsrechtlicher Maßnahmen einfordert, hat dem Grunde nach einen „wichtigen Grund“ im Sinne des § 626 I BGB geschaffen. Das Bundesarbeitsgericht befasste sich in der hier besprochenen Entscheidung mit der Rechtsfrage, welche Folgen eine vom Arbeitgeber hingenommene Kündigung ohne einen solchen wichtigen Grund im Sinne des § 626 I BGB nach sich zieht. Fraglich war, ob sich ein Arbeitnehmer, dessen Kündigung trotz formaler Mängel durch den Arbeitgeber hingenommen wurde, nachträglich auf die Mängel berufen kann. In seiner Entscheidung stellte das Bundesarbeitsgericht zu Recht darauf ab, dass einmal abgegebene Willenserklärungen nicht einfach zurückgenommen werden können. Wer sich im Nachhinein eines Anderen besinnt, obwohl es dafür keinerlei objektive Gründe, im Sinne eines „Erklärungsirrtums“ gibt, der muss sich an der abgegebenen Erklärung festhalten lassen. Wenn kein wichtiger Grund für eine Kündigung vorliegt, der Arbeitgeber die Kündigung dennoch hinnimmt, dann kann sich der Arbeitnehmer regelmäßig nicht auf die Unwirksamkeit seiner schriftlich ausgesprochenen Eigenkündigung berufen. Ein späteres Berufen auf formale Mängel verstieße gegen das aus der Generalklausel des § 242 BGB hergeleitete Verbot widersprüchlichen Verhaltens.

4. Nachteile einer Eigenkündigung

Eine Eigenkündigung löst zudem regelmäßig eine Sperrzeit durch das Arbeitsamt gem. § 144 Abs. 1 SGB III aus, weil man seinen Beruf ohne wichtigen Grund verloren hat. Sperrzeit bedeutet hier, dass der nunmehr Arbeitslose für die Dauer der Sperrzeit keinerlei Leistungen durch die Agentur für Arbeit erhält. Mit anderen Worten „es gibt kein Arbeitslosengeld“. Nur ausnahmsweise kann Mobbing des Arbeitnehmers ein „wichtiger Grund“ für die unverschuldete Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer angesehen werden und deshalb der Anspruch auf Arbeitslosengeld erhalten bleiben. Allerdings gilt dies nur für Mobbinghandlungen von einigem Gewicht und wenn der davon ausgehende psychische Druck so stark ist, dass dem Arbeitnehmer die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Nach der Eigenkündigung ist das Arbeitsverhältnis beendet, eine Abfindung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses nebst Freistellungsphase kann nicht mehr erzielt werden. Insgesamt sicher keine gute Ausgangslage und in aller Regel viel schlechter, als eine Lösung ohne Eigenkündigung. Der Arbeitslose, kann später nur noch Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend machen, wobei er darlegungs- und beweisbelastet ist. Unschwer ist zu erkennen, dass eine Eigenkündigung erhebliche rechtliche und finanzielle Nachteile mit sich bringt, ohne dass in jedem Fall gleichwertige Vorteile für den die Eigenkündigung aussprechenden Mitarbeiter zu erkennen sind.

5. Konsequenzen

Dieses Urteil zeigt erneut, dass von Eigenkündigungen dringend abgeraten werden muss. Einmal ausgesprochen, bekommt man sie nur noch in extrem seltenen Ausnahmefällen wieder aus der Welt. Selbst im Fall von Mobbing liegen die Hürden hoch. Der Eigenkündigende ist darlegungs- und beweisbelastet, dass es sich um Mobbinghandlungen von einigem Gewicht handelt und dass der davon ausgehende psychische Druck so stark ist, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Konkret bedeutet dies, dass der Eigenkündigende die tatsächliche Gründe, die eine Kündigung zwingend erforderlich gemacht haben, vollständig darlegen muss, wobei die Gründe durch das Gericht überprüft werden. Hiervon kann nur dringend abgeraten werden. Zumeist werden sich die Mobbingbelastungen auch auf andere Art mindern lassen. Nur wenn die Eigenkündigung den einzigen Weg darstellen könnte, kann sie gerechtfertigt sein, so dass keine Sperrzeit anfällt.
Behandelnde Ärzte von Mobbingopfern raten mitunter zum Ausspruch einer Eigenkündigung, um die belastende Situation ganz hinter sich zu lassen. Das mag aus medizinischer Sicht auch richtig sein. Aus juristischer Sicht kann davor nur dringend abgeraten werden. Jedenfalls sollte zuvor ein Spezialist konsultiert werden, andernfalls ist nach dem Mobbing mit weiteren „bösen Überraschungen“ zu rechnen.

Dr. jur. Frank Sievert
Rechtsanwalt, Hamburg

Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert, Hamburg